Gastbeitrag von Svenja Brunkhorst (Globla Policy Forum)
Alfred-Maurice de Zayas, zur Zeit Sonderberichterstatter der UN für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung, übermittelte jüngst einen Bericht den UN-Menschenrechtsrat. Darin befasst er sich mit der engen Beziehung zwischen Steuersystemen und der Verwirklichung der Menschenrechte. Er weist auf die Herausforderungen von Steuerhinterziehung, Steuerflucht und Gewinnverschiebung durch internationale Unternehmen hin und formuliert Vorschläge, ihnen zu begegnen.
Maßnahmen gegen Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und Schattenfinanzzentren sind dringend notwendig, um vertraglichen Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte nachzukommen. Durch die fehlenden Steuereinnahmen können wichtige staatliche Aufgaben, wie die Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen, der Justizverwaltung, des Gesundheitswesens, der Bildung und außerdem die Durchsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) und des Umweltschutzes nicht erfüllt werden. Das Tax Justice Network schätzt, dass in mehr als 100 Schattenfinanzzentren ca. 21-32 Billionen US-Dollar un- bzw. kaum versteuertes Vermögen verwahrt werden.
De Zayas benennt in seinem Bericht die klaren Verlierer solcher illegalen bzw. illegitimen, grenzüberschreitenden Finanzflüsse: die Länder des globalen Südens. Der Sonderberichterstatter nimmt besonders die Regierungen in die Pflicht, die Ungleichheit zu bekämpfen, die durch die Hinterziehung von Steuern, die in Schattenfinanzzentren weltweit gebunkert werden, v.a. durch transnationale Unternehmen entstehen.
Bad Practices
Wenn in Mainstream-Diskussionen überhaupt von einer menschenrechtlichen Verantwortung der Unternehmen gesprochen wird, spielt die Verpflichtung der Wirtschaft zur Zahlung ihres gerechten Anteils an Steuern praktisch keine Rolle (natürlich gibt es Ausnahmen). Dabei ist unbestritten, dass die Nutzung von Steuerschlupflöchern einen gravierenden Einfluss auf die Menschenrechte hat.
Inner- und zwischenstaatliche Ungleichheit kann sich verschärfen, wenn Staaten im Wettbewerb um ausländische Investoren immer geringere Steuern verlangen. Dieses race to the bottom birgt die Gefahr, dass staatliche Aufgaben durch geringere Steuereinnahmen nicht mehr finanziert und die Verwirklichung der Menschenrechte nicht umfassend realisiert werden kann. Insgesamt sei es notwendig, so de Zayas, die Straflosigkeit zu beenden, mit der bisher auf Steuerbetrug reagiert wurde und die sich exemplarisch an den politisch und strafrechtlich spärlich ausgefallenen Reaktionen auf die Panama Papers zeige.
Problematisch sei außerdem, dass der Prozess der Aushandlung globaler Steuerregeln aktuell von der OECD koordiniert werde, dem „Club“ der Länder des globalen Nordens. Damit würden Länder des globalen Südens strukturell benachteiligt. Entsprechend fordert die G77 (die Gruppe der Entwicklungsländer in den Vereinten Nationen), die UN müsse bei der Koordination der Steuerpolitiken der Länder eine stärkere Rolle spielen. Eine Möglichkeit dazu wurde im Juli 2016 bei der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (United Nations Conference on Trade and Development, UNCTAD) verpasst. Eine Ausweitung des Mandats von UNCTAD in steuerpolitischen Bereichen wurde von den Regierungen der Industrieländer blockiert. Ähnlich war schon die 3. Internationaler Konferenz über Entwicklungsfinanzierung von Addis Abeba im Juli 2015 zu Ende gegangen, bei der die G77 die Einrichtung eines Gremiums auf Regierungsebene bei den Vereinten Nationen gefordert hatten.
Good Practices
Konkret hatte die G77 vorgeschlagen, das bereits bestehende Committee of Experts on International Cooperation in Tax Matters in eine globale, inklusive, normsetzende Körperschaft für internationale Steuerkooperation umzuwandeln. Ein weiterer Vorschlag, der im September 2016 von Rafael Correa, dem Präsidenten Ecuadors, vorgetragen wurde, ist die Gründung einer internationalen Institution, die sich auf die Schließung von Schattenfinanzzentren spezialisieren sollte. Auch die (u.a. von der Bundesregierung unterstütze) Addis Tax Initiative sei ein Schritt in die richtige Richtung. Sie zielt darauf ab, Länder des globalen Südens bei der Generierung der heimischen Ressourcen zu unterstützen und technische Hilfe dazu anzubieten, funktionierende, transparente Steuer- und Haushaltspolitiken aufzubauen.
De Zayas fasst den Zusammenhang einer fairen, demokratischen Besteuerung und der Realisierung der Menschenrechte (und der SDGs) so zusammen: „In order for Governments to be able to fund Sustainable Development Goals and deliver on their human rights obligations to provide public health care, education, water and sanitation, affordable housing and transportation, all countries must have equal seat at the table to determine equitable international tax practices“.
De Zayas‘ Empfehlungen
Der Unabhängige Experte schließt seinen Bericht mit Empfehlungen für Staaten, die UN-Generalversammlung sowie für weitere Akteure. Auf struktureller Ebene fordert er die Regierungen dazu auf, ein unter Schirmherrschaft der UN stehendes, zwischenstaatliches Organ für Steuerfragen zu etablieren. Dieses sollte das Mandat zugewiesen bekommen, ein rechtlich verbindliches Instrument, z.B. in Form einer Konvention zu erarbeiten, das Steuerbetrug, Steuerhinterziehung, Steuerflucht und Finanzschattenzentren unterbindet. Weiter fordert de Zayas: einen gemeinsamen UN-Standard für den multilateralen und automatischen Austausch von Steuerinformationen; steuerliche und finanzielle Transparenz von Unternehmen; die steuerrechtliche Zusammenlegung von Unternehmen und Tochterunternehmen als Einheit (sog.unitary taxation); einen weltweit einheitlich Gesetzesrahmen für öffentliche, länderspezifische Berichtspflichten; die strafrechtliche Verfolgung von Steuerhinterziehung; den ausreichenden, juristischen Schutz für Whistleblower; die Einführung einer Finanztransaktionssteuer; die Vermeidung des Steuerwettbewerbs sowie die Festlegung eines einheitlichen Mindestsatzes für die Unternehmensbesteuerung.
Auch die OECD, der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und Zentralbanken, der Internationale Gerichtshof, die Zivilgesellschaft sowie Rechts- und Wirtschaftsfakultäten könnten und sollten einen Beitrag dazu leisten, Steuersysteme gerechter und demokratischer zu machen. Es müsse insgesamt erkannt werden, dass die Besteuerung eine globale Angelegenheit sei und nur durch multilaterale Zusammenarbeit aller Staaten und weiterer Akteure geregelt werden könne. Gleichzeitig solle die Reform der Steuersysteme immer an einem übergeordneten Ziel orientiert sein: an der Verwirklichung der Menschenrechte.
07.10.2016 | Blog Steuergerechtigkeit
Steuern, Menschenrechte und die SDGs
UN-Bericht über die Herausforderungen gerechter Steuersysteme