Press Statement
(Aachen/Berlin/Bonn, 13.10.2023) Vor dem Weltgesundheitsgipfel in Berlin (15. bis 17. Oktober) fordern Brot für die Welt, Global Policy Forum und Misereor mehr Verbindlichkeit von Regierungen und Unternehmen in der internationalen Gesundheitspolitik. Die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie zeigten, dass der Zuwachs neuer freiwilliger privat-öffentlicher Partnerschaften nicht ausreichend ist, um auf Pandemien zu reagieren. Schwerpunkt des diesjährigen Weltgesundheitsgipfels ist die Vorbereitung von Strategien zur Prävention und Reaktion auf künftige Pandemien.
Seit Jahrzehnten hat die Weltgemeinschaft mit den Herausforderungen einer stark fragmentierten globalen Gesundheitsarchitektur zu kämpfen. Zahlreiche internationale Organisationen und Multi-Stakeholder-Initiativen, das heißt freiwillige Zusammenschlüsse zwischen Regierungen, privaten Stiftungen und Pharmakonzernen führen zu wachsender Unübersichtlichkeit. „Besonders deutlich wurden die damit einhergehenden Probleme angesichts der unkoordinierten Reaktion auf die COVID-19-Pandemie. Die globale Multi-Stakeholder-Initiative “Access to COVID-19 Tools Accelerator” (ACT-A), initiiert u.a. von der WHO, war als zentraler internationaler Mechanismus zur Eindämmung der Pandemie gedacht. Doch die Initiative scheiterte nicht nur bei der weltweit gerechten Verteilung von Impfstoffen, sondern auch daran, weitere Akteur*innen im Bereich globale Gesundheit erfolgreich zu koordinieren”, erläutert Dr. Klaus Schilder, Referent für Entwicklungsfinanzierung bei Misereor.
Das lag einerseits daran, dass wohlhabende Länder im Globalen Norden selbst Impfstoffe horteten, andererseits aber auch an strukturellen Problemen, die mit einer Multi-Stakeholder-Initiative wie ACT-A einhergehen. „Solche Initiativen beruhen auf freiwilligen Selbstverpflichtungen aller Beteiligten. Es braucht aber stattdessen mehr Verbindlichkeit von Seiten der Regierungen und Unternehmen, um den Zugang zu Gesundheit für alle weltweit zu gewährleisten”, kritisiert Karolin Seitz, Leiterin des Programms Wirtschaft und Menschenrechte beim Global Policy Forum. Die jetzt beim World Health Summit diskutierten Vorschläge zur Reaktion auf zukünftige Pandemien beinhalten eine noch stärkere Einbindung von Unternehmen und privaten Stiftungen in multilaterale Prozesse sowie die Schaffung neuer globaler, auf Freiwilligkeit beruhender Multi-Stakeholder-Initiativen. „Doch Multi-Stakeholder-Initiativen sind keine Lösung einer bereits bestehenden fragmentierten Gesundheitslandschaft und für die Bekämpfung zukünftiger Pandemien, sondern Teil des Problems, da mit ihnen eine ganze Reihe an Risiken einhergehen. Sie gewähren zum Beispiel oft Wirtschaftsinteressen Vorrang vor dem Gemeinwohl”, so Seitz weiter.
Um auf mögliche künftige Pandemien besser vorbereitet zu sein als bei COVID-19, verhandelt derzeit die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit allen Mitgliedsstaaten ein internationales Abkommen zur Pandemieprävention, -vorsorge, und -bekämpfung. Ziel sollte aus Sicht der drei Organisationen sein, die WHO hier in ihrer zentralen Rolle als koordinierende Instanz in der globalen Gesundheitspolitik zu stärken und Multi-Stakeholder-Initiativen deren Zielen unterzuordnen. „Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, dass Impfstoffe, Medikamente und auch Testmöglichkeiten weltweit produziert und fair verteilt werden müssten. Im Rahmen des geplanten Pandemieabkommens sollten sich die Regierungen verbindlich für einen global gerechten Zugang zu medizinischen Gütern und einen umfassenden Technologie- und Wissenstransfer in Länder des Globalen Südens einsetzen. Die WHO muss die zentrale Instanz bei der Verteilung von Impfstoffen in Pandemiezeiten sein, diese entscheidende Frage darf nicht Unternehmen überlassen sein”, fordert Julia Stoffner, Gesundheitsexpertin bei Brot für die Welt.
Hintergrund:
Der World Health Summit ist eine private Konferenz, die insbesondere Perspektiven der pharmazeutischen Industrie ins Zentrum stellt. Brot für die Welt, Global Policy Forum und Misereor begleiten den World Health Summit seit seiner Gründung kritisch und mahnen u.a. mehr zivilgesellschaftliche Beteiligung besonders aus dem Globalen Süden und menschenrechtsbasierte Diskussionen an.
Weitere Informationen:
Link zu ausführlichem Briefing „Pandemie der Freiwilligkeit - Die zunehmende Fragmentierung der globalen Gesundheitsarchitektur durch immer neue Multi-Stakeholder-Initiativen”
Link zum Blog mit weiteren Hintergründen
Kontakt:
- Brot für die Welt: Thomas Beckmann, Pressesprecher, +49-30-65211-1443, thomas.beckman[at]brot-fuer-die-welt.de
- Misereor: Charleen Kovac, Pressestelle, + 49 241 442-116, charleen.kovac[at]misereor.de
- Global Policy Forum: Karolin Seitz, karolinseitz[at]globalpolicy.org