Das Vorgehen der Regierungen gegen die COVID-19-Pandemie war geprägt von nationalen und regionalen Alleingängen. Die Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO), als der übergeordneten und koordinierenden Gesundheitsinstanz, für eine gerechte und effiziente Verteilung von Impfstoffen und anderen notwendigen medizinischen Produkten zur Eindämmung der Pandemie wurden nicht eingehalten. Mehrere Regierungen, philanthropische Stiftungen und die WHO riefen kurzfristig die globale Multi-Stakeholder-Initiative (MSI) Access to COVID-19 Tools Accelerator (ACT-A) unter Beteiligung von Pharmaindustrie und weiterer MSI als zentralen globalen Mechanismus zur Eindämmung der Pandemie ins Leben. ACT-A verfehlte aber nicht nur seine Verteilungsziele, sondern auch seinen Koordinierungsanspruch bei Weitem.
Vielmehr trug ACT-A zu einer weiteren Fragmentierung der globalen Gesundheitsarchitektur bei. Nachdem die Pandemie abgeschwächt ist, erarbeiten verschiedene Akteur*innen der globalen Gesundheit Vorschläge, wie zukünftigen Pandemien begegnet werden kann. Die Vorschläge beinhalten eine stärkere Einbindung von Unternehmen in multilaterale Prozesse sowie die Schaffung neuer globaler Multi-Stakeholder-Initiativen. Dabei sind die Probleme, die mit der zunehmenden Fragmentierung
und Multi-Stakeholder-Initiativen einhergehen, seit Langem bekannt. Sie umfassen eine erschwerte Abstimmung von Aktivitäten, Duplikation von Maßnahmen, Finanzmittelkonkurrenz unter den Initiativen und zur WHO, Untergrabung
der Kompetenz der WHO, Insellösungen und Schwierigkeiten des externen Monitoring und der Begleitung. Viele der Initiativen verfehlten ihre Ziele nicht zuletzt aufgrund ihres freiwilligen Charakters. Statt weiterhin auf das Prinzip der freiwilligen Selbstverpflichtungen zu setzen, müssen Regierungen und Unternehmen zu mehr Verbindlichkeit verpflichtet werden. Dieses Briefing untersucht den Zustand der globalen Gesundheitsarchitektur und macht Vorschläge für ihre Stärkung.
Von Karolin Seitz
Heausgeber: Brot für die Welt, Global Policy Forum Europe, Misereor
Aachen/Berlin/Bonn, Oktober 2023